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Die Geburt als „gewaltiges“ Ereignis –

Dieser Artikel erschien im unerzogen-Magazin 2/17 (April 2017)

 

Eine gar nicht so rosige Geschichte

 

Die Geburt gilt als wichtigstes und prägendstes Ereignis. Nicht nur für den neuen Erdenbürger, sondern auch für die Mutter. Respektvolle Begleitung durch vertraute und achtsame Helfer sind dabei wichtige Zutaten für ein beglückendes Erlebnis. Trotz dieses Wissens ist die Gewalt in der Geburtshilfe erschreckend hoch und aktuell. Auch in Deutschland. Laut Expertenschätzung sind bis zu 50 Prozent aller Gebärenden von gewaltsamen Erfahrungen betroffen.

 

 

 

 

Irgendwo am Amazonas. Eine Frau aus dem indigenen Volk der „Piapocos“ wird bald ein Kind gebären. Die werdende Mutter liegt auf einem Bett aus speziellen Gräsern und Kräutern. Ein Schamane markiert einen Schutzkreis. Drei Frauen singen Kraft- und Heilgesänge. Kurz vor der Geburt tragen sie die Schwangere an eine auserwählte Stelle im Amazonas. Nach wenigen Minuten ist das Baby geboren; es ist wohlauf und liegt an der Brust der Mutter. Diese strahlt und wirkt entspannt. Sie erlebte eine fast schmerzfreie Geburt. Mitten in der Natur. Mithilfe natürlicher Ressourcen. Mit dem intuitiven Wissen und Vertrauen, dass sie beschützt und fähig ist, ihrem Kind das Leben zu schenken. Der Vater durchtrennt die Nabelschnur, vergräbt die Nachgeburt und pflanzt einen Baum. Als Dank an Mutter Erde für dieses große Geschenk. Die Geburt eines Menschen im Einklang mit der Natur …

 

Diese Schilderung stammt aus dem inspirierenden Buch „Taguari – Das Leben findet seinen Weg“ von Angelika Selina Braun. Die Möglichkeit einer derart idyllischen Geburt treibt vielen Frauen, die in der „zivilisierten Welt“ gebären, Tränen, Scham und Wut ins Gesicht. Steht sie doch in erschreckend radikalem Gegensatz zu ihrer eigenen Geburtserfahrung – meist einer gewaltvollen Klinikgeburt. Die amerikanische Hebamme Ina May Gaskin trifft mit ihren Worten ins Schwarze, was menschenwürdige Geburtshilfe angeht: „Wenn eine Frau während der Geburt nicht aussieht wie eine Göttin, dann wurde sie nicht richtig behandelt.“ Gleichzeitig klingt die Aussage für viele Frauen wie Hohn. Denn die wenigsten fühlen sich im Kreißssal wie Hera oder Aphrodite. Respektlosigkeit, Unachtsamkeit und andere gewaltsame Maßnahmen machen das schlichtweg unmöglich.

 

 

 

Die vielen Gesichter der Gewalt

 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert „Gewalt in der Geburtshilfe“ als „Handlungen und Vorgänge, die sich während der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im Wochenbett negativ beeinflussend, verändernd oder schädigend auf Frauen und ihre Kinder auswirken.“ Seit 2014 fordert sie ausdrücklich „die Prävention und Beseitigung von Respektlosigkeit und Misshandlung unter der Geburt“. Denn jede Frau hat das Recht auf eine „würde- und respektvolle Behandlung“ sowie auf „körperliche Unversehrtheit“. Es ist ein Grundrecht jeder Gebärenden, dass vor jedem Eingriff ihr Einverständnis eingeholt wird. Und natürlich auch, dass sie die Behandlung jederzeit verweigern kann.  

 

Dass sich die WHO in jüngster Vergangenheit genötigt sieht, so unmissverständlich  die Rechte von Schwangeren und Gebärenden zu proklamieren, weist auf die gravierenden Missstände in der weltweiten Geburtshilfe hin. Auch in Deutschland ist die Faktenlage erschütternd. Wobei zusätzlich mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen ist. Täglich werden medizinische Routineeingriffe, die wissenschaftlich seit Jahren widerlegt sind, in Kliniken ohne Aufklärung und Einwilligung durchgeführt. Häufig ist die Gewalt strukturell bedingt: Gesundheitspolitik, unterbesetzte Teams, Kosten- und Zeitdruck, standardisierte statt persönlich empathische Mutter-Kind-orientierte Krankenhaus-Abläufe stehen einer entspannt, vertrauensvollen Geburtserfahrung entgegen. Alina Bronsky und Denise Wilk sind Autorinnen, Aktivistinnen und Geburtsbegleiterinnen. In ihrem Buch  Autorin des Buches „Die Abschaffung der Mutter“, liefern sie schockierende Zahlen: „Hebammen bestätigen, dass der Dammschnitt in deutschen Krankenhäusern immer noch bis zu 75 Prozent der Frauen zugemutet wird. Aus dieser Notfallmaßnahme einen Routineeingriff zu machen, ist barbarisch wie eine Genitalverstümmelung. Er zählt zur Gewalt in der Geburtshilfe – ebenso wie Festhalten, Verweigern der freien Geburtsposition, grobe und unnötige Untersuchungen. Drohungen mit dem Tod des Babys, abschätziger Tonfall, Machtmissbrauch und Nötigung im Kreißsaal sind ebenfalls keine Kavaliersdelikte.“

 

 

 

Die Geburt als Operation

 

Von friedvollen – und vor allem – interventionsfreien Geburten ist die deutsche Geburtshilfe (wie auch jene der meisten anderen Industriestaaten) meilenweit entfernt. Alina Bronsky weiter: „Operative Entbindungen sind in der Zwischenzeit nicht mehr dem Notfall vorbehalten, sondern Normalität: Jedes dritte deutsche Baby kommt per Kaiserschnitt zur Welt. Auch zum herkömmlichen Geburtsweg gibt es jede Menge Begleitmaßnahmen. Nicht einmal jede zehnte Krankenhausgeburt verläuft ohne medizinische Eingriffe. Bei jeder fünften Frau wird die Geburt mit Medikamenten eingeleitet, jede dritte bekommt mittendrin Wehenmittel, mehr als die Hälfte eine Anästhesie. Bei abfallenden Herztönen (ja, Medikamente und fehlendes Gespür der betäubten Mutter setzen dem Baby zu) wird die Geburt per Saugglocke oder Notkaiserschnitt beendet.“

 

Die WHO empfiehlt eine Sectio-Rate von max. 15 Prozent und lässt verlautbaren: Zu dieser Art der Geburtshilfe sollte nur bei eindeutiger medizinischer Indikation gegriffen werden, wie zum Beispiel bei Beckenquerlage oder Plazenta praevia totalis, bei der die Plazenta den Muttermund vollständig bedeckt, wodurch eine spontane Geburt ausgeschlossen ist. In Wirklichkeit sind weniger als 10 Prozent aller Kaiserschnitte aus medizinischer Sicht notwendig. In neun von zehn Fällen liegt eine relative Indikation vor, also zum Beispiel Beckenendlage, ein vorangegangener Kaiserschnitt, ein „auffälliger“ Bericht des Wehenschreibers. Ob in solchen Fällen letztendlich die Entscheidung für oder gegen einen Kaiserschnitt fällt, hängt von der geburtshilflichen Kultur der jeweiligen Klinik an.

 

 

Gewaltige Folgen

 

All diese Entwicklungen geben Anlass zur Sorge. Zeugen sie doch von einem tiefen Unverständnis des Vorgangs und der Bedeutung der Geburt. Mit gravierenden Folgen. Nicht nur für die neuen Erdenbürger. Schon längst ist es kein Geheimnis mehr: Stress unter der Geburt wirkt sich aus. Und zwar negativ. Kränkungen, Verunglimpfungen, Angstmacherei, Informationsverweigerung und sonstige Verletzungen der Würde der Gebärenden wiegen folgenschwer und sind vielfältig. Leiden manche Frauen unter körperlichen Aspekten, wie Wundheilungsstörungen oder verunmöglichter weiterer Schwangerschaft durch organische Verletzungen, trifft es andere eher in der Seele. Panik-Attacken, Depressionen, Traumatisierungen bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen – alles möglich und gar nicht selten. Denn Frauen sind gerade unter der Geburt extrem verletzlich. Wie in allen Ausnahmesituationen braucht es auch – oder gerade – hier Schutz. Diesen können sich die Frauen natürlich während der Geburt nicht selbst geben und sind auf das Außen angewiesen. Wenn die Umgebung eine derartige würde- und respektvolle Behandlung nicht bietet, ist die Frau ausgeliefert. Alina Bronsky fasst zusammen: „Wer die Entbindung als sehr belastend, das Verhalten der Geburtshelfer als demütigend und gewalttätig erlebt hat, hat ein höheres Risiko, hinterher depressiv zu werden. Die Verarbeitung eines schlimmen Geburtserlebnisses gleicht einem Trauerprozess und kann Jahre, manchmal auch Jahrzehnte brauchen.“

 

Auch für die Babys ist eine stressige Geburt kein Zuckerschlecken. In der Zwischenzeit gibt es viel Interessantes, Erhellendes, Verstörendes über die Auswirkungen eines traumatischen Geburtserlebnissees auf das Kind zu lesen. Die deutsche Prä- und Perinatal-Psychologin Ilka-Maria Thurmann weist zum Beispiel darauf hin, dass Geburtseinleitung durch Wehenmittel, Medikamente wie PDA (Periduralanästhesie) sowie ein Geburtsabschluss durch Saugglocke oder Kaiserschnitt das „Naturell“ des Kindes entscheidend mitprägen. Hier können Ein- und Durchschlafprobleme wurzeln, moderne Krankheitsbilder und Diagnosen wie AD(H)S begründet sein. Ein geringes Selbstwertgefühl, Rückzug statt Kontaktsuche, Ohnmachtsgefühle, aber auch verstärktes Kontrollbedürfnis sind mögliche psychologische Auswirkungen. Physiologische sind zum Beispiel: erhöhtes Diabetes-, Asthma- und Allergie-Erkrankungsrisiko. Das wohl größte Dilemma aber: Nach traumatischen Geburten treffen vergewaltigte, verwirrte und schuldbeladene Frauen auf erschütterte Babys mit „besonderen Bedürfnissen“. Diese Situation ist kaum zu meistern. Schon gar nicht ohne feinfühlige, verständnisvolle Unterstützung.  

 

 

 

Von der Katastrophe zur Initiative:
Rosen gegen Gewalt

 

Und was jetzt? Sollen nun alle Frauen im Urwald gebären? Nein. Es geht hier  dezidiert nicht um eine romantische Verherrlichung des Lebens im Dschungel. Es geht um das Bewusstmachen folgender Tatsache: Eine „natürliche“ Geburt kann durchaus auch in einem unpersönlichen Krankenhauszimmer in Deutschland stattfinden. Zugegeben, der Rahmen ist künstlich. Er könnte aber durch Wissen, Empathie und entsprechende Ressourcen achtsam gestaltet werden. KÖNNTE. Die Realität sieht anders aus. Die meisten Gebärenden fühlen sich im Kreißsaal den unvorhersehbaren Angriffen der Amazonas-Piranhas schockierend nah. Und ohnmächtig ausgeliefert. Es besteht akuter Handlungsbedarf.

 

Das findet auch Mascha Grieschat – Doula, Mutter und Betroffene. Ihr eigenes gewaltiges Geburtserlebnis veränderte sie und ihr Leben; ließ sie die Initiative „Gerechte Geburt“ gründen; sowie zur deutschlandweiten (ehrenamtlichen) Koordinatorin der „Roses Revolution“ werden: Weltweit legen Frauen jährlich am 25. November rosafarbene Rosen vor jene Kreißsaaltüren, hinter denen ihnen Gewalt angetan wurde. Und setzen damit ein Zeichen gegen Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe. Wer mag, schreibt einen Brief dazu und macht ein Foto. Passendes Briefpapier mit Logo der „Roses Revolution“ gibt es zum Download im Internet. Über soziale Netzwerke werden die Dokumente veröffentlicht.

 

Die „Roses Revolution“ wurde 2013 auf der „3. Human Rights in Childbirth Conference“ im belgischen Blankenberg ins Leben gerufen. Durch die Aktion bekommen Betroffene endlich eine Stimme. Gleichzeitig können sie sich vernetzen und austauschen. Ziel ist es auch, Veränderung und Umdenken in der Geburtshilfe zu erreichen: „Die Aktion spendet Trost und gibt Hoffnung. Doch bezeugen auch dieses Jahr viele Rosen und Briefe, dass Gewalt in der Geburtshilfe existiert. Wir fordern, dass Kliniken, Krankenkassen und Gesundheitspolitik endlich weitreichende schützende Maßnahmen ergreifen“, so Mascha Grieschat.

 

 

 

 

 

Wenn dich niemand hört …

 

Auch in Österreich wäre dies wünschenswert. Nicht nur (aber auch), weil ich persönlich Gewalt vor, während und nach der Geburt erlebt habe. Mein Sohn und ich haben nicht nur eine traumatische Geburt mit Notkaiserschnitt hinter uns, sondern auch eine angstbesetzte Schwangerschaft (aufgrund der Einstufung als Risikoschwangerschaft) sowie einen wahren Horrortrip nach der Geburt mit Trennung und Intensivstationsaufenthalt. Wirklich schockiert war ich dann zusätzlich von der Gewalt danach.

 

Es gab fast niemanden, der unser Geburtserlebnis als traumatisch anerkannte. Ich erntete größtenteils ungläubige Blicke, wenn ich meine Gedanken und Sorgen äußerte. Meistens wurde ich mit „guten“ Ratschlägen oder Verunglimpfungen à la „Ist doch nicht so schlimm“  schon vor meinen eigentlichen Schilderungen abgewürgt. Dafür, dass ich mich ehrlich äußerte, bekam ich schließlich den Stempel der „übersensiblen, nicht belastbaren, gluckenhaften Mutter“. Wie sehr hätte ich jemanden gebraucht, der die existierende Gewalt in der Geburtshilfe zumindest nicht leugnet; jemanden, der einfach nur zuhört. „Frauen, die ihre Geburt als traumatisch erlebt haben, bleiben oft stumm. Wo andere von ihnen auch noch Glück und Dankbarkeit erwarten, spüren sie nichts als Scham. Wenn sie reden, hört kaum jemand zu. Mit dem Satz „Hauptsache, es ist gesund!“ lässt sich den meisten über den Mund fahren – als ob das Eingeständnis ihres Traumas mit dem Kindeswohl in Konkurrenz treten könnte. Statt Verständnis gibt es einen verbalen Maulkorb – und ein Schuldgefühl obendrauf“, so die treffenden Worte Bronskys.

 

Initiativen wie „Roses Revolution“ bringen Mütter (und Angehörige) zum Reden, ohne dass sie negiert werden. Meines Erachtens ein grundlegender Schritt zur Heilung. Auch die Rückbesinnung auf die spirituelle Natur des Menschen kann den Weg zur Annahme des Erlebten ebnen. Mich hat sie auf die Spur zur bedingungslosen Liebe zu meinem Sohn gebracht. Sie hat meinen Blick für sein besonderes Wesen geschärft – ohne ständig auf psychologische Fehlersuche zu gehen und mich mit dem WARUM zu quälen.

 

 

 

Eine Buchstaben-Sammlung voll Gewalt

 

Mein eigener Brief auf Rosen-Papier ist übrigens noch ausständig. Viele Schritte zur Verarbeitung der traumatischen Geburt meines Sohnes bin ich bereits gegangen. Der direkte Kontakt zur Klinik ist aus verschiedenen Gründen noch nicht passiert. Ich kann aber schon einmal mit dem Brainstorming zum Thema „Was habe ich als Gewalt erlebt?“ beginnen:

 

  • ·         dass ich als Risikoschwangere eingestuft und in das zermürbende Rad der Panikmache gedrängt wurde
  • ·         dass aufgrund einer relativen Indikation ein Not-Kaiserschnitt durchgeführt wurde
  • ·         dass ich mit der Entscheidung überrumpelt wurde und mir keine Alternative blie
  • ·         dass ich – wie nun mal bei einem Kaiserschnitt üblich – mit den Armen festgeschnallt wurde
  • ·         dass ich die Menschen, die mich operierten, nicht kannte und aufgrund der Schutzmasken auch nicht sah
  • ·         dass es ganze drei Versuche brauchte, die PDA zu setzen, und der Anästhesist dies mit den Worten kommentierte: „Na wir werden sehen, ob das nun so passt“
  • ·         dass ich den Schnitt spürte und nichts unternehmen konnte
  • ·         dass mir mein Sohn im Vorbeigehen für ca. drei Sekunden an die Schulter gehalten und dann kommentarlos entfernt wurde
  • ·         dass mir niemand antwortete, als ich verzweifelt fragte, warum mein Sohn keinen Laut von sich gibt
  • ·         dass mir, nachdem ich von meinem Sohn getrennt worden war, zur Geburt gratuliert wurde (noch dazu während ich genäht wurde und am ganzen Leib zitterte)
  • ·         dass ich ohne mein Zutun sechs Wochen vor errechnetem Geburtstermin zur Mutter gemacht worden bin
  • ·         dass mein Sohn kurze Zeit nach seiner Geburt mit wildfremden Menschen in ein wildfremdes Krankenhaus ans andere Ende der Stadt gebracht wurde, da in der hauseigenen neonatologischen Station kein Platz frei war
  • ·         dass ich nach meiner Überstellung in besagtes Krankenhaus – trotz ständigen Nachfragens – den ganzen Tag wartete, bis mich endlich jemand zu meinem Sohn brachte
  • ·         dass ich meinen Sohn, als ich ihn endlich sah, nicht halten durfte; Begründung: Er regt sich eh immer so auf. Also besser in Ruhe lassen …
  • ·         dass ich meinem Sohn nicht in die Augen sehen konnte, da sein Gesicht von einer Atemmaske bedeckt war
  • ·         dass ich meinen Sohn mit Kabeln, Schläuchen und Injektionen übersät sah
  • ·         dass ich meinen Sohn bei den täglichen Untersuchungen verzweifelt schreien hörte; und nichts tun konnte
  • ·         dass niemand zu einer Prognose bereit (oder fähig) war
  • ·         dass ich nachts mutterseelenallein durch Neonlicht-Gänge schlurfte, um die einzige (!) Milchpumpe der Station zu ergattern; und das alle drei Stunden …
  • ·         dass ich in den ersten Wochen eher eine Bindung zu einem zerknitterten Foto meines Sohnes aufbaute als zu ihm persönlich
  • ·         dass mich niemand beim Stillen unterstützte, sondern ich sogar gefragt wurde: „Warum wollen Sie eigentlich so unbedingt stillen?“
  • ·         dass ich miterlebte, wie Babys minutenlang trostlos schrien, bis endlich eine Schwester kam
  • ·         dass ich meinen Sohn jeden Tag aufgrund von Uhrzeit-Vorschriften wieder verlassen musste
  • ·         dass ich nicht so für ihn da sein konnte, wie ich es ersehnte
  • ·         dass alle so taten, als wäre alles in bester Ordnung; nur mit mir eben nicht …


 

Im Namen der Rosen …

 

Wird sich in absehbarer Zeit etwas in der geburtshilflichen Kultur in Deutschland, Österreich und anderen Industriestaaten zum Positiven verändern? Nein, ich glaube nicht. Dafür braucht es nämlich eine Rückbesinnung auf unsere natürlichen Fähigkeiten und Ressourcen als Menschen. Einen Wandel hin zur Selbstverantwortung. Ein tiefes Verständnis und Achten der Würde eines jeden Individuums. Solche Vorgänge wiederum benötigen Zeit. Solange wir die heiligsten und natürlichsten Aspekte des Menschseins und Menschwerdens institutionellen Strukturen anvertrauen, wird es Gewalt geben. Ein erreichbares Ziel kann es aber sein, im Kleinen etwas zu ändern, über die Opferrolle hinauszuwachsen. Sich bewusst zu werden: Jeder hat die Macht, seine Realität zu gestalten. Und Selbstbestimmung nach Pippi-Langstrumpf-Vorbild ins eigene Leben zu bringen: Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt … Mit der Geburt beginnend, bis hin zu jedem einzelnen Tag des Lebens. Ich kann zwar das Geburtserlebnis meines Sohnes nicht ungeschehen machen, aber ich kann den Weg bereiten, damit künftig mehr Gerechtigkeit herrscht.

 

Mit dem aktuellen Wissensstand kann sich niemand mehr der Erkenntnis verwehren: Es ist nicht egal, wie unsere Kinder geboren werden! Prof. Sven Hildebrandt, Präsident der „Internationale Gesellschaft für Prä- und Perinatale Psychologie und Medizin“, dazu: „Es ist ein Grundrecht der Kinder, dass wir Erwachsenen uns sehr tiefgreifend mit den Aspekten des Geboren-Werdens auseinandersetzen und unseren Kindern den bestmöglichen Weg in das extrauterine Leben ermöglichen – denn: Unsere Kinder sind das Wertvollste, das wir haben.“ Deshalb müssen Frauen in ihrer Würde geachtet und geschützt werden; vor allem während der Geburt. Denn es handelt sich dabei um genau jene Frauen, die neues Leben in diese Welt bringen. Es sind jene Frauen, in deren Schoß die Zukunft des Homo Sapiens liegt. Aktionen wie die „Roses Revolution“ rücken die verlorengegangene Wertschätzung für Frauen und Mütter wieder ins richtige Licht. Und müssen dringend Unterstützung, Verbreitung und Gehör finden. Auf dass wieder mehr Frauen mit einer gehörigen Portion Urvertrauen in ihre Geburten starten, frei nach zuversichtlicher Pippilotta-Manier: „Das hab ich noch nie vorher versucht, also bin ich sicher, dass ich es schaffe“. Auf dass es wieder mehr Göttinnen während der Geburt gibt, die ihre weibliche Kraft spüren, nutzen und erleben dürfen. Auf dass die Rosenhaftigkeit einer jeden Frau (an)erkannt wird: ihre Stärke, Schönheit, Verletzlichkeit. Auf dass kein Zweifel mehr bestehe: A rose is a rose is a rose …

 

 

 

Weiterführende Literatur:

  • Alina Bronsky, Denise Wilk: Die Abschaffung der Mutter. Kontrolliert, manipuliert und abkassiert – warum es so nicht weitergehen darf. Deutsche Verlags-Anstalt. 2016
  • Angelika Selina Braun: Taguari. Das Leben findet seinen Weg. Smaragd. 2013
  • Barbara Anna Nowitzky: Psychische Störungen im Wochenbett bei Kaiserschnitt-entbundenen Frauen. Dissertation an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilian-Universität zu München. 2009
  • Brigitte Renate Meissner: Geburt. Ein schwerer Anfang leichter gemacht. Brigitte Meissner Verlag. 2012.
  • Brigitte Renate Meissner: Emotionale Narben aus Schwangerschaft und Geburt auflösen. Brigitte Meissner Verlag. 2013.
  • Brigitte Renate Meissner: Kaiserschnitt und Kaiserschnittmütter. Brigitte Meissner Verlag. 2013
  • Caroline Oblasser, Ulrike Ebner: Der Kaiserschnitt hat kein Gesicht. edition riedenburg. 2014
  • Christina Mundlos: Gewalt unter der Geburt. Der alltägliche Skandal. Tectum. 2015
  • GreenBirth: http://www.greenbirth.de
  • Human Rights in Childbirth – Weltweite Initiative für eine gerechte Geburtshilfe:
    http://www.humanrightsinchildbirth.org
  • Ilka-Maria Thurmann: Kaiserschnitt heilsam verarbeiten. Die Prä- und perinatal basierte Spieltherapie nach Thurmann. Mabuse. 2015
  • Internationale Gesellschaft für Prä- und Perinatale Psychologie und Medizin:
    http://www.isppm.de
  • Irene Behrmann: Die Geburt meines ersten Kindes: Geburtserfahrungen, Geburtsakten und Erläuterungen schwerer Geburten in der Klinik. Fidibus. 2013

  • Jean Liedloff: Auf der Suche nach dem verlorenen Glück.  Verlag C. H. Beck. 2009
  • Mascha Grieschat – Initiative für gerechte Geburtshilfe Deutschland:
    http://www.gerechte-geburt.de
  • Roses Revolution Deutschland:
    http://www.gerechte-geburt.de/rosrev bzw.
    https://www.facebook.com/RosesRevolutionDeutschland/
  • Studie: Kaiserschnittgeburten - Entwicklung und regionale Verteilung, Faktencheck Gesundheit/Kaiserschnitt. 2012:
    http://faktencheck-gesundheit.de/de/publikationen/publikation/did/faktencheck-gesundheit-kaiserschnitt

  • William Emerson (Hrsg. Ludwig Janus): Behandlung von Geburtstraumata bei Säuglingen und Kleinkindern. Mattes Verlag. 2012

 

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