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Großeltern auf Achterbahnfahrt –

Oder: Was eine liebevolle Beziehung zu den eigenen Kindern und Enkelkindern unterstützt

Wer kennt das Dilemma nicht: Großeltern und ihre erwachsenen Kinder sind sich nicht einig in der Betreuung der Enkel. Statt Harmonie gibt es Streit, Unverständnis und große Gefühle. Die Lösung liegt im Respektieren des elterlichen Weges. Und in der Freude am eigenen Wachstum … Dieser Artikel will zwischen Großeltern und deren erwachsenen Kindern vermitteln und gibt konkrete Tipps, wie eine beglückende Beziehung entstehen kann …

 

Das „Problem“ einer Großmutter in Kurzversion, und beispielhaft für sehr viele andere Großeltern: „Meine Schwiegertochter betreut unsere Enkel auf sehr spezielle Weise. Da gibt es gemeinsames Schlafen, Bio-Essen, Spielsachen aus Holz und anderen Naturmaterialen uvm. Sie und auch mein Sohn legen großen Wert auf diese Dinge und verbieten mir, bestimmte Geschenke zu bringen bzw. auch, gewisse Sachen zu unternehmen, die Großmütter eben gern mit ihren Enkeln machen. Eisessen-Gehen zum Beispiel. Oder ein Kino-Besuch. Wie kann ich trotz dieser Beschränkungen und Vorgaben dennoch eine enge Verbindung zu meinen Enkeln haben?“

 

 

 

Wohl alle Großeltern lieben ihre Enkelkinder und sehnen sich danach, Anteil an deren Leben zu haben. Und ja, es gibt einen Weg, die Beziehung mit den Enkelkindern zu nähren, selbst wenn die Eltern einen liebevollen Weg in der Begleitung ihrer Kinder gehen, der sich von dem Weg, den die Großeltern einst wählten, unterscheidet. Bei einem Beratungsgespräch sagte einmal ein junger Vater zu seinen Eltern: „Ihr habt eure „Eltern-Sache“ gemacht, als ihr mich und meine Schwester aufgezogen habt. Was meine Töchter betrifft, so sind nun wir – meine Frau und ich – mit dem großen Experiment an der Reihe.“ Der Großvater war schockiert. Und auch verletzt: „Experiment? Was soll das heißen? Wir haben nicht einfach herumexperimentiert. Nein, wir wussten genau, was wir taten.“ „Ach ja, war das so?“, fragte die reflektierte Großmutter mit einem Zwinkern. „Also ehrlich gesagt: Ich wusste oft nicht, was ich da tat. Ich denke, unser Sohn spricht da einen wichtigen Punkt an. Der Weg, den sie für ihre Elternschaft wählen, könnte durchaus sogar besser sein als der unsrige. Aber darum geht es gar nicht. In jedem Fall sind nun sie an der Reihe, Eltern zu sein. Und zwar die, die sie gern sein möchten. Ihren Werten entsprechend.“

 

Großeltern wiegen sich oft in dem Glauben, dass ihr Weg der einzig Wahre ist, ganz einfach, weil sie ihre Kinder vielleicht als glückliche Erwachsene sehen und daraus den Erfolg ihrer „Methode“ ableiten. Aber können sie wirklich sicher sein? Können sie wirklich darüber Bescheid wissen, wie sich ihre Kinder wohl entwickelt hätten, wären sie auf eine andere Art aufgezogen worden? Die Antwort lautet: Nein, das können sie nicht. Das kann niemand. Es ist in der Tat immer ein „Experiment“, wenn einem ein junger Mensch anvertraut ist. Und es gibt einfach mehr als nur einen Weg, sein Kind in Liebe zu begleiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Szenarien-Großmütter

 

Natürlich gibt es manche junge Eltern, die in die Fußstapfen ihrer Eltern treten und dieselbe Art der „Erziehung“ bei ihren Kindern verwenden und sich damit wohlfühlen. Genausooft kommt es aber auch vor, dass sich junge Eltern für einen neuen, anderen Weg entscheiden. Stellen wir uns nun also zwei verschiedene Großmütter vor, die das Dilemma auf zwei unterschiedliche Arten zu lösen versuchen: Die eine will ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen, während die andere die Wünsche der jungen Eltern respektiert. Wer von beiden wird wohl eine stimmigere Beziehung zu den Enkelkindern, aber auch zur gesamten Familie aufbauen können?

 

Und jetzt ein bisschen konkreter:

 

 

 

Ich schenk Dir was. Aber nur was?

 

Was Besuche und Geschenke angeht, würde Szenario-1-Großmutter einfach mit von ihr selbst befürworteten Geschenken „auftauchen“. Kaum hat sie das Haus betreten, herrscht auch schon Spannung. Sie überreicht den Kindern die Mitbringsel; die Eltern tauschen verärgerte Blicke aus. Und suchen vielleicht sogar ein anderes Zimmer auf, um zu besprechen, wie sie die in ihren Augen unpassenden Sachen wieder loswerden. Sie hatten sich so sehr dafür eingesetzt, derartige Spielsachen fernzuhalten, und jetzt das! Tja, die Großmutter wird in diesem Fall wohl eher als rotes Tuch gesehen werden, nicht als unterstützende Kraft. Dazu kommt, dass sich diese „Art von Großmutter“ auch nicht einsichtig zeigt. Wodurch dem Streit Vorschub geleistet wird, nicht der Freude und Verbindung.

 

Szenario-2-Großmutter dagegen hat sich entschieden, den Weg der Eltern zu würdigen. Sie bringt also entweder mit den Eltern vereinbarte Geschenke. Oder gar keine. Sie hat zum Beispiel auch die Möglichkeit, gemeinsam mit den Kindern aus einem mit den Eltern abgesprochenen Katalog etwas auszusuchen. Das Zusammensitzen, das Respektieren der unterschiedlichen Bedürfnisse: Das schafft starke Verbindung. Vielleicht möchte die Großmutter aber auch gar keine materiellen Geschenke machen, sondern lädt die Kinder zu einem Zoobesuch ein. Oder zu einer anderen Aktivität, mit der sich die Eltern wohlfühlen. Gemeinsame Erlebnisse zu schenken: Das verbindet ein Leben lang.

 

Eis, Eis, das leidige Eis …

 

Für manche Eltern ist es völlig in Ordnung, zu besonderen Anlässen (oder auch öfter) ein „Eis-Zugeständnis“ zu machen. Andere dagegen handhaben das Süßigkeiten-Thema konsequenter. Szenario-1-Großmutter würde den Kindern trotz Gesprächen mit den Eltern dennoch ein Eis spendieren. Oder es nicht tun und beleidigt sein. In beiden Fällen kommt es zu Heimlichtuerei und schlechtem Beigeschmack. Ein Beigeschmack, der über der Beziehung zu ihren erwachsenen Kindern liegt, Vertrauen untergräbt; Verbindung stört.

 

Szenario-2-Großmutter dagegen interessiert sich für gesunde Süßigkeiten aus dem Reformhaus. Oder dafür, was die Eltern zu Hause selbst gern zubereiten. Sie lernt dabei sogar etwas Neues. Was aufregend sein kann! Und sie fühlt sich zugehörig. Vielleicht kauft sie sich sogar ein „Zuckerfrei“-Kochbuch und möchte mit ihren Experimenten daraus zum Wohl der gesamten Familie beitragen. Oder sie bespricht mit den Eltern, welche Orte zum „Ausführen“ diese für angebracht halten.

 

 

 

Die liebe Leinwand

 

Auch „Ins-Kino-Gehen“ ist ein „anfälliges“ Thema. Szenario-1-Großmutter gerät darüber vielleicht in einen Streit mit den Eltern, verzichtet schließlich darauf und ist verärgert. Von Verbindung keine Spur. Auch die Kinder können darüber in Ärger geraten. Geht es doch um sie! Leicht reagieren sie in einem solchen Fall mit Zorn auf die Eltern, die ihnen da vielleicht etwas verleiden möchten. So erscheint es ihnen zumindest. Die Eltern wiederum ärgern sich über die Großmutter und haben keine Lust auf weitere derartige Besuche. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, dass die Großmutter ihr „Kino-Idee“ sogar durchsetzt, aber Verbindung entsteht dadurch dennoch nicht. Die Kinder wollen das dann vielleicht öfter machen, was zu Dissonanzen mit den Eltern führen kann. Die Großmutter stellt sich durch Nicht-Respektieren den Eltern gegenüber. Eine Vertrauensbasis kann so nicht entstehen.

 

Anders bei Szenario-2-Großmutter, die die Entscheidungen der Eltern respektiert: Sie verbringt vielleicht den gemeinsamen Tag mit den Enkeln im Park statt im Kino. Sie stellt eine natürliche Verbindung zu ihren Enkelkindern her, während sie gleichzeitig auch mit den Eltern in Verbindung bleibt. Sie ist sich bewusst: Das ist einfach nicht meine Elternschaft! Dagegen genießt sie die Freiheit des Folgens, und eben nicht des Führens. Sie macht die Achterbahnfahrt einfach mit, ist Teil davon und hat Freude. Und wenn sie merkt, dass ihre alten „Muster“ reinfunken, dann hinterfragt sie ihre Überzeugungen und öffnet sich für neue Sichtweisen. Streit und Konkurrenz zählen nicht zu ihrem Verhaltensrepertoire. Nur Respekt. Sie verbringt eine schöne Zeit mit ihren Enkeln und ist gewiss ein gern gesehener Gast.

 

Großeltern haben die Wahl 

 

Was bringt wohl mehr Verbindung zwischen Großeltern und Enkelkindern, zwischen Großeltern und ihren eigenen Kindern? Das Verteidigen irgendwelcher gemutmaßten „Rechte“ oder das „unterstützende Mitsegeln“? Wann immer Menschen ihren Standpunkt, ihre Meinung, ihre „Rechte“ verteidigen, erzeugen sie Trennung, Verwirrung, Missverständnisse und Kämpfe. Verteidigung bedeutet immer, andere Menschen oder Umstände manipulieren zu wollen, sodass sie „passend“ werden. Stress und Verletzungen sind die Folge. Wichtig: Wir reden hier nicht von Eltern, die ihre Kinder misshandeln! Sondern von liebevollen Eltern, die einfach einen anderen Weg als den ihrer Eltern gehen. Großeltern können ihre erwachsenen Kinder unterstützen, indem sie die Enkelkinder den wohl-überlegten Wünschen und Entscheidungen der Eltern entsprechend begleiten. Dann ist Vertrauen möglich. Wenn sich Großeltern als „Verbündete“ zeigen. Nicht als „Stress-Macher“.

 

Ihre Bedenken oder Ansichten können Großeltern natürlich äußern. Aber sie sollten nicht erwarten, dass ihre erwachsenen Kinder diese in ihrer Elternschaft berücksichtigen. Denn es ist ihre Elternschaft, nicht die der Großeltern. Wenn Großeltern eine gute Beziehung anstreben, sollten sie versuchen, ihre Kinder wirklich zu verstehen, Bücher und Artikel lesen, für die sich die Eltern interessieren oder anderen Inspirationen der Eltern folgen. Manche Großeltern nehmen sogar professionelle Unterstützung in Anspruch, besuchen Kurse, lassen sich „coachen“, um den Weg der Eltern besser nachvollziehen und dadurch bestmöglich unterstützen zu können. Das sind Großeltern, die verstehen: Wir sind Passagiere auf diesem Schiff, nicht Kapitän. Das sind Großeltern, die wunderbar verbunden sein werden ... mit den Kindern und Enkelkindern.

 

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